A03
Dürfen, wollen oder müssen?
Das gemeinnützige Engagement der Unternehmerfamilie
Das gemeinnützige Engagement einer Unternehmerfamilie wird meistens durch die Aktivitäten der Gründergeneration geprägt. Hier werden inhaltliche Schwerpunkte angelegt und meist konkrete Fragestellungen aus dem Umfeld des Unternehmens angegangen, die dem Wohl der Mitarbeiterschaft bzw. deren sozialem Umfeld dienlich sind. Oder es finden Engagements statt, die aus einer persönlichen Betroffenheit von Mitgliedern der Unternehmerfamilie herrühren. Selten gibt es eine systematische Familienstrategie in Bezug auf die philanthropischen Aktivitäten. Gerade beim Übergang auf die nächste Generation stellen sich dann eine Vielzahl von Fragen, inwieweit dieses Lebenswerk der Vorgängergeneration fortgesetzt werden kann, muss oder darf.
Dabei stellen sich mitunter folgende Fragen: Wie genau lässt sich das gemeinnützige Engagement einer Unternehmerfamilie organisieren? Überlässt die Familie es jedem Familienmitglied selbst zu spenden oder findet ein kollektives gemeinnütziges Engagement (und vielleicht in Kooperation mit dem Familienunternehmen) statt? Welche Schwerpunkte werden gesetzt und wer bestimmt diese? Gibt es ein „Vehikel“ bzw. eine Organisationsstruktur, die dabei helfen kann? Wie ist dieses Thema in der Familienstrategie der Unternehmerfamilie verankert?
Diese und weitere Fragen werden im Rahmen des Workshops betrachtet und gemeinsam mit den Teilnehmenden reflektiert. Dabei werden aktuelle Ergebnisse aus Family- Business-Forschung vorgestellt sowie gefundene Lösungsansätze aus der Praxis diskutiert. Am Beispiel des Sozialunternehmers Tobias Merckle wird ein konkretes Vorgehen aufgezeigt, wie soziale Projekte mit unternehmerischer Energie angegangen und systematisch verwirklicht werden können. Dabei werden einzelne Projektbeispiele vorgestellt sowie die von ihm gegründete gemeinnützige Organisation „Sinngeber“ vorgestellt. Sinngeber will zu einer Bewegung für philanthropisches Engagement beitragen und unterstützt (potenzielle) Philanthropen durch Beratung und mit Instrumenten, die spenden und stiften vereinfachen. Eine Möglichkeit davon ist der Giving Fund, mit dem man eine „eigene Stiftung“ online in 3 Minuten gründen und über eine Internetplattform Projekte auswählen kann.
Referierende
Tobias Merckle ist Stifter und Sozialunternehmer. Aus einer Unternehmerfamilie stammend, gründet Merckle nach 13 Jahren Vorbereitung das Seehaus Leonberg als Jugendstrafvollzug in freien Formen. Dort leben straffällige Jugendliche in familiären Wohngemeinschaften, beginnen eine Lehre und bereiten sich auf ein Leben ohne Straftaten vor. Seehaus e.V. ist inzwischen auch in der Opfer- und Traumaberatung und im Bereich Prävention aktiv. 2013 gründete Merckle die Hoffnungsträger Stiftung. Damit hat er ein Konzept für integrativen bezahlbaren Wohnraum (Hoffnungshäuser) entwickelt, bei denen Deutsche und Flüchtlinge zusammenwohnen und unterstützt Kinder von Gefangenen und Versöhnungsprojekte u.a. in Ruanda und Kolumbien. Die Sinngeber gGmbH – Das philanthropische Family Office – unterstützt Unternehmerfamilien in ihrem philanthropischem Engagement und die HTS Verantwortungseigentum ermöglicht Unternehmensnachfolge in der Gemeinnützigkeit. Beides sind Töchter der Hoffnungsträger Stiftung.
Prof. Dr. Tom A. Rüsen ist Geschäftsführender Vorstand der gemeinnützigen WIFU-Stiftung. Er forscht, lehrt und berät im Umfeld von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien an der Universität Witten/Herdecke, insbesondere zu den Themen Familienstrategie, Family Governance, Gesellschafterkompetenz, Nachfolgemanagement sowie Krisen und Konflikte.